Zur Ökonomie der Illusion


Die Ökonomien der Illusion und des Vergessens sind eins.

Sonntag, 29. Januar 2017

Schwarzes Doppel


Zynismus ist die Kunst, anderen die eigenen Hintergedanken zur Last zu legen. – Wer hat das gesagt? Ich hab’s vergessen. Hätten Sie’s gewusst? Nein? Vergessen. Wichtig ist nur: die Kunst. Welche Kunst? Wenn Design die Kunst der Verpackung ist, dann haben die Mediendesigner den Medienschreibern das Hirn aus den Köpfen gezogen und führen es, als eine Art umgedrehten Skalp, auf ihren Portfolio-Seiten spazieren. Was sollen sie schreiben, die – mehr oder weniger – guten Schreiber, wenn alles, was sie schreiben, vorab so gut verpackt daherkommt, dass man es nur über die Zahl der generierten Klicks zu identifizieren vermag? Am besten nichts – und das geht nicht.

Donnerstag, 26. Januar 2017

Gescheitert


Was ist dran an dem Wort ›gescheitert‹? Warum fällt es so schwer, es auszusprechen oder gar hinzuschreiben angesichts der unerhörten Leichtigkeit des Aussprechens und Hinschreibens, deren medialer Zeuge zu sein man täglich gezwungen wird? Gehört es neuerdings zu den Unaussprechlichen? Der Rücktritt eines Parteivorsitzenden zum Beispiel ist keine geniale Tat, sondern das Eingeständnis eines Scheiterns. Was ist falsch daran, es schnörkellos zu konstatieren?

Samstag, 21. Januar 2017

Totes Rennen, dicker Hund


Ein Troll im Deutschen ist einer, der sich schleunigst zu trollen hat: »Troll dich!« Ein Reflexivtroll, sozusagen, das macht ihm draußen so schnell keiner nach. Überhaupt ist im Deutschen vieles reflexiv, was in anderen Sprachen geradeaus geht. Ob das nur auf die Sprache zutrifft, weiß keiner genau. Das bedeutet nicht, dass die Deutschen ein besonders geschmeidiges Volk wären, behüte: auch hier ist das Gegenteil der Fall. Warum das Gegenteil? Weil kein Teil ohne sein Gegenteil zum Aushalten wäre. Politiker z.B. wären unerträglich, würde ihnen nicht, etwa von Politikern aus der eigenen Partei, Paroli geboten – es geht aber auch, zumindest im Notfall, mit anderen oder, nun ja, mit den üblichen Aufgeregten.

Dienstag, 10. Januar 2017

Albtraum einer Kanzlerin

Dimitri Vojnov: Albtraum einer Kanzlerin

Kunst, in ihren schlagenden Momenten, hat es mit Leuten zu tun, die niemand kennt, solange sie nicht in diesen blinden Spiegeln auftauchen, als stammten sie aus dem Nirgendwo und wünschten sogleich dorthin zurückzukehren. Wenn Künstler sich mit bekannten Zeitgenossen beschäftigen, dann stellen sie aus: Der da, gleich neben der da, den kenne ich doch? Ach, der Name, vergessen, wohin? Also die hier kenne ich wirklich, das sind ja...! Was machen die da? Was haben sie überhaupt da zu suchen? – Der Albtraum einer regierenden Kanzlerin ist, wie Vojnov richtig, wenngleich ohne Worte, bemerkt, mit Vorgängern bevölkert, die ihre Bewährungsproben absolviert haben, ohne abzustürzen. Was mag das bedeuten? Wer deutet diese Gesichter? Wohin führt das? –

Mittwoch, 4. Januar 2017

Drückt der Schuh, so schreit der Wicht


Wenn erst alle übereinander herfallen, dann liegt der Zeitpunkt nicht fern, an dem alle über einen herfallen. Dies ist der Gang der Dinge oder der Lauf der Welt, gleichgültig, ob nach dem Peter-Prinzip oder nach dem Motto Haltet den Dieb verfahren wird. Das Peter-Prinzip genießt den Vorteil, dass es immer bereits in Kraft ist, bevor es sich, wie am Beispiel der Grünen gerade zu sehen, ein weiteres Opfer holt, das dann den angestauten Unmut von Amts- und Anmutsträger*innen auf sich ziehen darf. Der Satz Jeder ist seiner Unfähigkeit Schmied gilt ja nicht nur für diese Partei, er ist unerhört parteilos und liegt auch besagtem Motto zugrunde. Eine Bundeskanzlerin zum Beispiel, die zu lange im Amt verweilt und gerade daraus die Kraft für eine weitere Legislaturperiode schöpft, darf als geradezu klassischer Beleg für diese These gelten. Der Zeitpunkt, zu dem alle über sie herfallen werden, ist daher abzusehen ‒ und damit auch ihr Abschied von der politischen Bühne. Es folgt einer gewissen Logik, sie jetzt als Führerin der freien Welt auszurufen, wie von Seiten ihrer angelsächsischen Freunde geschehen, die zuviel Bares für einen verlorenen Wahlkampf ausgegeben haben, um nicht wenigstens einen Nebeneffekt einfahren zu wollen. Das amerikanische Interregnum ist auf Tage beschränkt, da muss alles schneller  vonstatten gehen, auch der Missgriff. Immerhin ist die deutsche Geschichte an Missgriffen reich und die Konsequenzen sind hierzulande sichtbarer als andernorts, man muss nur einmal durchs Brandenburger Tor spazieren, am besten in beide Richtungen.