Zur Ökonomie der Illusion


Die Ökonomien der Illusion und des Vergessens sind eins.

Mittwoch, 25. Mai 2016

Der Untergang der EU und ähnliche Petitessen

Die EU stirbt nicht an einem Tag, aber sie stirbt täglich. Unvergessen die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als die Eurosklerose in aller Munde lag: schon damals gut gebettet auf den üblichen Übertreibungen, auch wenn der Ton inzwischen schärfer geworden ist. Inzwischen? Dazwischen liegen die Jahre der EU-phorie, der Erweiterungs-, Vertiefungs- und Verschuldungsorgien, die in ebenso viele Sackgassen führten. »Vorwärts immer, rückwärts nimmer!« Vibriert da nicht ein Ton aus der Vergangenheit in der Luft?
Medizinisch betrachtet könnte man die EU unter die seltenen Organismen einreihen, bei denen die Sklerose bereits vor der Reife einsetzt. Zum Glück für ihre Bewohner ist sie kein Organismus. Natürlich nicht. Seltsamerweise fehlt diesem Gewirr von Institutionen, Initiativen, Ämtern, Gremien, Treffen, Beschlüssen, Verlautbarungen, ›Töpfen‹, Förderern, Parteigängern, Gegnern, Gewinnern, Verlierern, Heuchlern, Absahnern, Dienstgebäuden, Dienstwagen, Auslandsreisen, Wahlen, Plakatierungen und Internetauftritten nichts, wenn eines seiner ›Organe‹ leidet. Im Gegenteil: andere sehen darin ihre Chance und machen sich breit, ohne das leidende zu ersetzen oder ihm wieder aufzuhelfen. Zwischen Finanzkrise, Währungskrise, Griechenlandkrise, Flüchtlingskrise, Einwanderungskrise, Grenzsicherungskrise, Glaubenskrise, Grexit, Brexit, Auxit, Populismus und autoritärer Versuchung werden weiter Verordnungen erlassen, Parlamentsdiskussionen geführt, Etaterweiterungen geplant, Gehälter kassiert und Sprüche geklopft, ohne dass ein Gebäude einstürzte oder ein Kommissar sich verhöbe. Und wenn schon: Wen würde es scheren?
Was als EU-Krise durch die Medien ›geistert‹ – also doch ›Geist‹! –, atmet denselben Geist wechselseitiger Pressung wie das aktuelle Flüchtlingsrückhalte-, Rückführungs- und Umverteilungsabkommen mit der Türkei. Statt so zu regieren, dass man die solide Mehrheit der eigenen Bevölkerung hinter sich weiß, sprühen Europas wankende Regierungen lieber Bilder vom drohenden Untergang Europas auf allerlei noch mit früheren Szenarien geschmückte Freiflächen, an denen das aufmerksame Auge des Publikums haftet – in trauter Eintracht mit ihren Herausforderern, die Untergang gegen Untergang setzen.

Man kennt das Verfahren aus früheren Krisen – kein Wunder, dass der eine oder andere Empörung atmende Bürger das Wort schon nicht mehr schreiben, geschweige denn buchstabieren kann. Wie denn auch? Ist Europa ein Schiff? Womöglich auf großer Fahrt? Wohin soll’s denn gehen? Ums Eck vermutlich, ans Büdchen, zum Zigarettenholen. Ruhig Blut: hat Europa ein Leck, dann läuft es vielleicht aus, aber auf keinen Fall voll. Und was da herausläuft … wird vielleicht nicht ohne Grund herausgelassen, nicht ohne Grund.
Aber das ist Zukunftsmusik, vorderhand ›kämpfen‹ alle um den Erhalt der Union, als gäbe es dafür eine Extraprämie. Von wem? Vom großen Bruder? Mag sein. Seine Ratschläge allerdings sind teuer, man muss sie sich leisten können. Nach der nächsten Wahl könnten sie noch teurer werden, das lässt manche TTIP-Herzchen heimlich erschauern.
EU-Europa, die kleineuropäische Lösung, ist in der Wirklichkeit angekommen. Was auf ewiges Wachstum angelegt war, auf Öffnung, Liberalisierung, Befreiung, Befriedung, Beglückung und Bewirtschaftung naher und ferner Regionen, stößt, wohin es auch blickt, an seine Grenzen. Und das ist wenig gesagt: Europa wäre nicht Europa, wenn es ›die Grenze‹ bei dieser Gelegenheit nicht neu erfände. Insbesondere die Tatsache, dass jede Grenze zwei Seiten hat, stürzt seine Regierungen in tiefes Nachdenken und manche von ihnen tiefer herab, als jedes Nachdenken es vermöchte.
Die einen ziehen Zäune, die anderen ihre Grenzkräfte ab: ein Erfahrungsrausch, in dem Räume neu erkundet, Besitzstände, innere und äußere, neu vermessen, ganz neue Bemessungsgrundlagen erarbeitet und Bewertungskriterien neu geschaffen werden, dass den Bevölkerungen Hören und Sehen vergeht, wenigstens diese beiden, denn das Denken wurde schon früher unter Mundschutz gestellt. Der deutsche Standpunkt, so ehrenwert wie ehrenhalber, sieht Grenzen nur außerhalb des eigenen Staatsgebiets vor: Andere mögen Grenzen haben, wir helfen ihnen, sie ein bisschen zu schützen (sofern sie uns helfen, sie vergessen zu machen). Schon das trifft auf herbe Kritik seitens unterbezahlter und von Entlassung bedrohter Weltbürger, die sich ihren Frust von der Seele schreiben, weil sie sie anders nicht zu Gesicht bekommen. Das kleine Österreich, als europäische Durchreiche in der Pflicht, verwechselt seit längerem ›Zaun‹ und ›Zorn‹ – wäre sein Englisch besser, könnte das nicht passieren.
Das bessere Englisch: Wer neidete es denen nicht, die es, inner- wie außerhalb der EU, im Munde führen? An ihm verlaufen sich die weltweiten Migrationsströme, als ballten sie sich andernorts nicht zu gebieterischer Höhe. Bei den Geldströmen kehrt sich das um. Es hat keinen Zweck, die zu kritisieren, die die Sprache aller gepachtet haben, gleichgültig, ob natural oder digital. Europa besitzt keine gemeinsame Sprache, es besitzt keine gemeinsame Denkweise, es besitzt keine Definitionsmacht, nach innen so wenig wie nach außen. Es kennt nur Mächte, Mythen – und Werte, soll heißen, es muss sich fallweise einigen, während andere längst handeln.
Das ist kein Defizit, das sich beheben ließ, sondern die conditio sine qua non eines jeden Gemeineuropa, das seinen Namen verdient – alles andere wäre ›Imperium‹. Europa ist, was es ist. Jene phantasmagorische Politik, die auf die große Erzählung vom finalen europäischen Zusammenschluss setzt – mehr, weiter, einiger, reicher, mächtiger, souveräner – frisst ihre Bürger, immerhin die einzige nachwachsende Ressource, die ihr zur Verfügung steht, wenn man vom Geld der EZB einmal absieht. Der entscheidende Fehler: Sie muss geglaubt werden. Es glaubt aber niemand mehr an sie, am wenigsten ihre Protagonisten. Europas ›Populisten‹ mögen sein, was sie wollen – und sie sind mancherlei –, vor allem sind sie enttäuschte Gläubige. Die Enttäuschung reicht tief, der alte Negativismus Europas, das dialektische Erbe, das Europa groß gemacht hat, rumort in ihr und verleiht ihr jene Legitimität, die man ihr dort gern abspricht, wo man das Hochwasser bevorzugt mit Rührbesen schlägt.
Die große Erzählung… Wäre sie noch so groß, hätte man sie im Westen nicht nach 1991 noch einmal notdürftig aufgefrischt, um die ›Osterweiterung‹ moralisch und machtpolitisch zu legitimieren, während die Beitrittsländer mit halbem Ohr dem Weihnachtsmann lauschten und dabei an all die glänzenden Spielsachen dachten, die sie, nicht ganz zu Unrecht, in seinem Sack vermuteten? An Ungarns Gulaschkommunismus jedenfalls, um dieses Beispiel herauszugreifen, wurde bereits das Sowjetsystem der Breschnew-Ära zuschanden. Und Polen… Nein, nicht Polen. Heute rührt Polen an den Nerv dessen, was EU-Europa, bei aller maskenhaften Heuchelei, stets sein wollte. Polen ist tiefstes Europa – was immer das für die Zukunft noch heißen mag. Das flachste Europa hingegen – wo soll man es suchen? Wer weit geht, geht meist in die Irre.

Sonntag, 8. Mai 2016

Endotugend und Exotugend

Es ist noch immer ein bestechender Gedanke – vielleicht der Bestechendste von allen –, dass ein jeder seinen Richter findet, der eine vor, der andere nach seinem Tode, der eine vor, der andere nach Erreichung der Pensionsgrenze, der eine vor, der andere nach vollbrachter Tat. Denn wo gerichtet wird, ist des Richtens kein Ende. Da strebt ein Immobilienunternehmer ins Präsidentenamt und wird bereits für sämtliche Torheiten und Verbrechen verantwortlich gemacht, die er nach seiner Wahl begehen könnte, falls er darauf Lust haben sollte, während die realiter begangenen Torheiten und Verbrechen frei herumlaufen und mit Fingern auf ihn zeigen, als wollten sie sagen: Überlegt es euch gut! Reicht euch unser Anblick nicht? Habt ihr wirklich Lust auf Neues? Nehmt uns, da habt ihr, was ihr wollt. – Am anderen Ende der Bedeutungsskala flattert Spaßvogel Böhmermann zwischen den Gitterstäben des Käfigs, den Justitia mit luzider Beihilfe einer echten Kanzlerin um ihn legt, und wispert aufgeregt: War ich gut? Bin ich ein guter Despotenschänder? Säßen die Mächtigen sicherer, wenn sie mir keine Scherereien bereiten müssten? Und wie geht’s jetzt weiter?
Weiter geht’s. Dass jemand nach einer bestens in seiner Brust- oder Handtasche versteckten Moral handelt und dabei gern in Kauf nimmt, dass die Leute mit Fingern auf ihn zeigen und rufen: »Ist der verrückt?«, kommt, gängiger Ansicht zuwider, deutlich häufiger vor als das öffentlich gern gezeigte Kontrastprogramm, bei dem einer auf Wassern wandelt und die Leute rätseln lässt, wie lang die Stelzen wohl sein mögen, auf denen er sich bewegt, während die Kinder in die Hände klatschen und »mehr, mehr!« rufen. Anders gesprochen: Was ich nicht weiß, macht dich nicht heiß.
Das Zeitalter der digitalen Kommunikation fügt, als zweiten Hauptsatz der Überzeugungsdynamik, einen weiteren Spruch hinzu: Was ich nicht genau weiß, davon will ich alle Welt überzeugen. Das wiederum hilft der Endotugend, der Tugend, die im Verborgenen wächst und wuchert. Es lässt die Exotugend, die Tugend out of the box, die sich, im Dienst an der Menschheit, welche bekanntlich keine Dividenden zahlt, stets auf der Suche nach neuen Wasserläufern befindet, zu ihrem Erschrecken kümmerlich in der Landschaft herumstehen.
Die langen Moralstelzen des Herrn Obama haben ihn durch die trüben Gewässer seiner doppelten Präsidentschaft getragen und nun, da er sie wegzuwerfen gedenkt, ist keiner da, der sie auffangen möchte. Exo ist out. Stattdessen drängt die bisher verkannte Endotugend nach vorn und fragt: »Habe ich nicht Geld genug gemacht, um für den Job gerüstet zu sein? Bin ich nicht gut? Bin ich nicht dran –«
Von dieser Sorte laufen viele herum.
Insofern rechnet es sich, wenn die Leute die Kandidatin, den Kandidaten bereits aus anderen Fernsehserien intim zu kennen glauben, einem verjährten Ehedrama im Weißen Haus zum Beispiel oder einer endlosen reality show. Es rechnet sich sinnigerweise am besten, wenn die Fassunslosigkeit überwiegt: »Nein!« »Der nicht!« »Der nie!« Die Leute nehmen die Rolle des Komikers für die Person, die jetzt an die Schalthebel der Macht drängt, vor allem, wenn sie überzeugend gespielt wurde. Das ist ganz normal, es wird ja auch nicht die Rolle bewertet, sondern die Frisur und das Betragen und der Gesichtsausdruck und der Anzug und ob es brutal zugeht – vor allem letzteres.
»Wie geht’s Bill?« »Wann geht’s weiter?« So lauten die aktuellen Schicksalsfragen einer großen Nation. Die amerikanischen Wähler dürfen sich aussuchen, welche Form der Geldmacherei sie für präsidiabler halten, und das Ergebnis wird, wie stets, die Welt verändern. Nichts anderes begehrt sie, die sichtbare Welt, und wie die Dinge im Moment stehen, scheint sie das Handaufhalten der Clintons für ungefährlicher zu halten als den Handschlag unter Geschäftsleuten. Was man sich merken sollte. Noch ––
Einen Eindruck, der sich bei alledem aufdrängt, hat der bei Spiegel Online vom Netzflüsterer zum Wahlforscher aufgestiegene Sascha Lobo vor ein paar Tagen in die überaus einfachen Worte gefasst: »... das Eingeständnis, selbst nicht wirtschaftlich erfolgreich zu sein, fällt schwerer als einfach zu glauben, dem ganzen Land ginge es schlecht.« Wie wahr: leichter fällt es, an der Gestalt des Globus zu zweifeln als daran, dass bei einem selbst alles rund läuft. Der Wahlforscher nimmt an, er habe damit die von Donald Trump ausgebeutete Mentalität ökonomischer Versager beschrieben. Dabei übersieht er nur die Differenz zwischen zwei Formen des Potenz-Glaubens, denen zwei unterschiedliche Weisen des Wirtschaftens zur Hand gehen: »Bin ich gut? Bin ich wirklich gut?« Und: »Die Burschen tun nichts für mich. Bin ich so unattraktiv? Nun gut, mir nach!« Der erste fragt seine Frau, der zweite … den Gatten (vielleicht).
›Korruption‹ lautet das Thema dieses Wahlkampfes – besser, man lässt es nicht zu nahe an sich heran.
Welcher US-Amerikaner am Wahltag ›eher potent‹ oder ›eher impotent‹ mit Herrn Trump fühlen möchte, das sollte man klugerweise der angesprochenen Wählerschaft überlassen. Die verrutschte Deutungs-Potenz von Medien-Gockeln, die sich dieser Sprache zu angeblichen Analysezwecken bedienen, reizt das Nachdenken schon eher.
Nein, sie sind nicht erfolgreich, die Welt-und-Zeit-Deuter, ehrlich gesagt, es geht ihnen, ökonomisch gesprochen, an den Kragen – und prompt versinkt für sie die Welt im populistischen Chaos. ›Selbsternannte‹, wohin sie blicken, man fragt sich, wo die ganzen Ernennungs-Behörden herkommen sollten, die nötig wären, das letzte Meinungsfürzchen durch Pöstchen abzusegnen, das da als Teufelsstunk hinausposaunt wird.
Trompete, das einzige Instrument, wie es scheint, das sich derzeit Gehör verschafft, ist auf einen einzigen modus eingeschworen, die forcierte Mitteilung dessen, was  alles man neuerdings nicht sagen, denken, schreiben dürfen soll, ohne rot zu werden und in den Abgründen des Bösen zu versinken. Vom Erwischten verlangt man die Leichenblässe des zur Strecke gebrachten Königsmörders im voraus. Er gilt als Gefährder. Und erwischt muss werden, darauf läuft in der öffentlichen Kommunikation gegenwärtig alles hinaus. Nur der Erwischte wird sichtbar, also: Werdet sichtbar (um zu verschwinden).
»Abschuss!« müsste von Rechts wegen unter jeder Meinungsäußerung stehen, welche die Häuser der Geschmacks- und Urteilsveredler verlässt – nur dann hätte sie Meinung, also Gewicht, »Erwischt!« unter jedem Kommentar, den sie sich bei der Leserschaft einfängt, »Erwischt!« über und unter jedem Blogger-Eintrag, über und unter jedem Netzorgan, das sich ohne den wärmenden Beistand des mainstream zu Wort meldet. »Erwischt!« könnte man als Leser sich selbst ins Gedächtnis schreiben, sobald einen das vertraute Muster ein weiteres Mal aus der Lektüre angrinst, aber dann hätte man zu viel zu tun und könnte sie – die Lektüre – gleich unterlassen.
Zwischen Er- und Entwischen muss, nebenbei, der Unterschied nicht sehr groß sein. Manchen Partei-Apostel, das Drogen-Säckchen im Gepäck, lässt man entwischen, fast bevor er erwischt wurde, bei Randgängern der öffentlichen Meinung scheinen Er- und Entwischen in einen actus zusammenzufallen, ein Politiker fällt womöglich in sich zusammen, ehe er erwischt wird, und wird nicht mehr gehört. Selbst Minister bleiben nicht von diesem morbus verschont. Stille herrscht auch, wenn die Erwischten nachlegen, es sei denn, das Aufbegehren fällt ins vertraute Schema und gestattet der Zunft, den Jux noch ein wenig länger auszukosten.
Ausgesonderte, in Mediengewittern Abgehängte, an die Wand Genagelte, Vorgeführte, Durchklassifizierte, Eingesargte, Weg-Gehämte leben länger, vor allem im Ausland, sie dürfen dort ganze Länder regieren und Koalitionen schmieden wie der gern vorgeführte Herr Órban, bei dessen Erwähnung die Sprache der Berichterstattung sich auf ähnlich krampfhafte Weise verzerrt wie die Gesichtszüge des Herrn Trump in den Kameraaugen der Pressefotografen. Wehe den ›Selbsternannten‹! Sie leben in der Vorhölle, die dem Christentum so lange gute Dienste leistete, so lange ihm an der Ausbeutung des letzten Hoffnungsschimmers noch etwas lag. Im Zeichen des Bösen ist selbsternannt, wer auffällig wird.
Das gilt selbst dann, wenn er mit absoluter Mehrheit regiert. Der modus negativus charakterisiert die Zeit der beginnenden Morgenröte, der Sichtbarkeit dessen, was noch im Schatten liegt. Nach dieser Maßgabe fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, was über kurz oder lang als common sense der Mietschreiber auf die verwirrte Leserschaft einprasseln wird. Wer immer dann zu den Entwischten zählt, man kann darauf zählen, sein Gedächtnis wird ebenso kurz sein wie die Leine, an der seine Gedanken schon heute laufen.

Die Endotugend als – um einen Dichter aus dem letzten Jahrhundert zu zitieren – Phänotyp der Stunde hat ihrem Widerpart voraus, dass sie nicht scheitern kann, weil ohnehin alle von ihr das Schlimmste befürchten. Sie kann versagen, das ist wahr, aber wer kann das nicht? Versagen ist menschlich, Scheitern verheerend. Sollte zum Beispiel – aus westlicher Sicht – dem arabischen Frühling und seinen Ausläufern eine Strategie zugrunde gelegen haben, so ist sie gescheitert – mit überaus sicht- und spürbaren Folgen. Erstaunlich, dass jetzt jemand (H. Clinton) an die Hebel der Macht drängt, dessen Handschrift in diesem Prozess des Scheiterns wirkungsvoll zur Geltung kam. Sind solche Leute Versager? Sind sie Nutznießer ihres Versagens? Nach welchem Code mag ihr schreibender Anhang den Geschäftsmann, der der noch amtierenden Regierung schlechte Geschäfte vorwirft, zum Gottseibeiuns stempeln?

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Was unterscheidet den ›selbsternannten Berufsrevolutionär‹ Lenin (o Sternstunde des berufsdeutschen Journalismus!) vom ›selbst ernannten‹ Staatskomiker Böhmermann? Beide kämpfen für das Gute: Da liegt er, der Unterschied, und keiner hebt ihn auf.